Brief aus Österreich an die Berliner Katholiken

Online-Beitrag in der Kirchenzeitung „Tag des Herrn“, 08.12.2015

Brief von Johannes Enzendorfer aus Steyr
 / Österreich  

Liebe Kirchengemeinde der St.-Hedwigs-Kathedrale!

 

Berlin hat viele Alleinstellungsmerkmale. Eines davon ist ihr Gotteshaus. Die äußere Schale ein antiker Tempel (Pantheon), der Innenraum in seiner architektonischen Sprache, eine überwältigende spirituelle Aussage. 
Dieses Gotteshaus berührt mich seit meinem ersten Besuch zutiefst.

Im Oktober, anlässlich unseres letzten Berlin-Aufenthaltes, besuchten meine Frau und ich die Hedwigs- Kirche am Nachmittag und zu einem abendlichen Konzert. Meine Frau erging es wie mir. Sie war sofort in den Bann dieser sakralen Raumstruktur gezogen.
Wir haben viele Kirchen in Berlin besichtigt, doch keine hat sich in unsere Seele und in unsere Erinnerung so eingeschrieben, wie die St.-Hedwigs-Kathedrale.

 

Jedem Menschen, mit dem ich über Berlin spreche, erzähle ich von diesem Kirchenraum. Der Blick schwenkt durch das weite Rund des Feierraumes, wird nach unten in die Krypta, hin zum Allerheiligsten gezogen, wandert über den Hauptaltar hinauf zum Kreuz im Zentrum der Kuppel.
Schöner und sichtbarer kann man das Mysterium unseres christlichen Glaubens, mit den Möglichkeiten der Architektur kaum ausdrücken:

Gott ist in Christus für uns Mensch geworden und hat mitten in unserem Kreis, mit uns, gelebt. Er ist für uns in das Reich der Toten hinabgestiegen, von dort ist er wieder auferstanden und hat sich uns gezeigt, damit wir glauben. Und er ist als unser Erlöser hinaufgenommen worden in die Liebe seines Vaters, die auch uns versprochen ist.

 

Wenn der Priester in der Hedwigs-Kirche die Heilige Messe liest, passiert genau das: Er erzählt vom Leben und Wirken Jesu und stellt ihn in unser Leben. Er steigt die Stufen hinab in die untere Welt, um den Leib des Herrn in unsere Mitte zu bringen, damit wir IHN sehen und im Teilen empfangen können. Er segnet uns und ruft den Geist Gottes auf uns herab, und wir dürfen unseren Blick getrost nach oben richten, zum Kreuz des Erlösers, denn wir sind im Leben nicht verloren und auch nicht im Sterben. Wir sind emporgehoben und getragen, hinein in die Liebe Gottes.

 

Genau das vermittelt meiner Frau und mir dieser Kirchenraum. Soll das wirklich zerstört werden? Wenn „das Loch“ zugemacht wird, wird der Tod aus unserem Leben ausgegrenzt und damit auch das heute so aktuelle Beispiel des Märtyrerbischofs, der dort in der Krypta seine Grabesstätte hat.
Wenn die räumliche Verknüpfung des Unten mit dem Hier und dem Oben unterbrochen wird, werden das Leben Jesu, sein Sterben und sein Auferstehen symbolisch gebrochen. Die St.-Hedwigs- Kathedrale würde damit der Symbolik ihrer zentralen Achse beraubt und damit auch ihrer spirituellen Aussagekraft.

Beliebige Versammlungsräume gibt es in Berlin weiß Gott genug.

 

Ing. Johannes Enzendorfer  –  Feldstraße 7g
 –  4400 Steyr
 – Österreich