Informationen für Journalisten

Stand 10. Oktober 2016 – mit Verknüpfungen zu den Quellen

Die farbig angelegten Textteile sind interaktive Links zu internen oder externen Quellen und Beiträgen.


Drohender Radikalumbau der St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin 

würde das einmalige Kulturdenkmal auslöschen

 

Ein aufsehenerregender Coup oder ein Eigentor für die Katholische Kirche?

Dem Bedeutungsverlust der Katholischen Kirche in der Hauptstadt wollen kirchliche Verantwortliche wohl mit einem aufsehenerregenden Bauvorhaben begegnen. Der in einem Realisierungswettbewerb 2014 prämierte Siegerentwurf (für einen baulich unnötigen Umbau) weist allerdings etliche funktionelle Fehler auf und ist nicht realisierbar, was den Wettbewerb entwertet. Nun sucht Berlins Erzbischof nach Kompromissen und Geldgebern, da Kosten in Höhe von 43 Mio. Euro von den Planern des Umbaus geschätzt worden, die sein finanzschwaches Bistum nicht aufbringen kann. Eine fachgerechte Sanierung mit zukunftsorientierter Weiterentwicklung würde nach Ermittlung von Fachleuten geschätzte 4,1 Mio. Euro kosten. Doch Bischöfe reicher westdeutscher Diözesen, allen voran der Kölner Kardinal Woelki,  (der 2013 als kurzzeitiger Berliner Erzbischof den Umbauplan initiierte,)  bestehen dagegen auf der „Aufwertung“ der Hauptstadt durch den radikalen Umbau.

 

Die allgemein bewunderte, denkmalgeschützte Innengestaltung der St. Hedwigs-Kathedrale soll zerstört werden, um sie durch eine zeitgeistgerechte neue Raumfassung zu ersetzen. Man könnte darin aber auch verzweifelten Aktionismus der Katholischen Kirche sehen, deren Einwürfen im gesellschaftlichen Diskurs immer weniger Relevanz beigemessen wird.

 

Die Kathedrale, die nach Kriegszerstörung zur Zeit des systemgeteilten Berlin wiedererrichtet wurde, ist ein Symbol der deutschen Einheit. Nur Sanierung und Pflege dieses Bauwerks bewahren begreifbare Spuren der Geschichte als Orientierung für den Weg künftiger Generationen. Eine Neugestaltung würde den Verlust an Baukunst des 20. Jahrhunderts bedeuten. Zudem führte der geplante radikale Umbau zur Auslöschung von Bistumstradition und erlebbarem Glaubenszeugnis, das für Gläubige eine Identität stiftende Wirkung hat.    

 

Schutz von Kulturgut

Aktuelles Weltgeschehen führte zu einer stärkeren Diskussion über Kulturgutschutz. Der ehemalige italienische Kulturminister Francesco Rutelli. sagte am 06.10.2016 der Nachrichtenagentur dpa, das Kulturerbe dürfe nicht zum vergessenen Opfer des Krieges werden. Die Vernichtung der Identität, des Erbes ganzer Völker, habe verheerende Folgen. Diese Aussagen beziehen sich auf Syrien und den Irak.

 

In Deutschland wurde ein Kulturgutschutzgesetz erarbeitet. Die Meisten greifen zum Fernrohr, wenn Beispiele für die Verletzung des Schutzes von Kulturgut gesucht werden. Manchmal wird aber der Blick auch auf deutsche Erfahrungen gerichtet: die Sprengung des Berliner Schlosses, die Walter Ulbricht veranlasste; die Zerstörung vieler Kirchen während der sozialistischen Diktatur. Dabei wurden immer Proteste unterbunden und die Machthaber stellten sich nicht der Diskussion um den Erhalt.

 

Die Zertrümmerung von Kulturzeugnisse ist oft ein Mittel undemokratischer Regimes, die sich vor der intellektuellen Auseinandersetzung mit den Gedanken vorangegangener Generationen scheuen. Wie verhält es sich nun mit dem vom Erzbistum Berlin vorgesehenen, baulich unnötigen Radikalumbau der St. Hedwigs-Kathedrale, der „Teilzerstörung eines Denkmals“, wie der geplante Umbau vom Berliner Senat beurteilt wird?

 

Ein DDR-Relikt oder ein wertvolles Zeugnis der Nachkriegsmoderne?

Nach der Wende wurde mit demokratischem Beschluss das Parlamentsgebäude der ehemaligen DDR („Palast der Republik“) abgerissen. Ist die beabsichtige Entfernung der Innengestaltung der Kathedrale damit vergleichbar? Der Wiederaufbau mit der Gestaltung des Innenraums gelang in einer Zeit, als die DDR noch existierte auf dem Gebiet ihres Herrschaftsbereichs. Wer daraus den Schluss ziehen würde, es handele sich um ein DDR-Relikt, das abgeräumt werden müsse, verriete oberflächliches Urteilsvermögen. Es geht nicht um sentimentales Festhalten an Altem, sondern um den Erhalt anerkannten Kulturguts, das nicht dem Geschmack der jeweiligen Eigentümer zum Opfer fallen darf. Auch im 20. Jahrhundert gab es, wie in älteren Epochen wichtige, erhaltenswerte Kunst.    

 

Gesamtdeutsches Gemeinschaftskunstwerk in der Zeit deutscher Teilung

Der Düsseldorfer Architekt, Prof. Hans Schwippert, der auch für Konrad Adenauer wirkte und das Bundeshaus in Bonn gebaut hatte, arbeitete mit Künstlern aus ganz Deutschland zusammen, um ein gemeinsames Gesamtkunstwerk zu schaffen:

 

Anton Wendling, Aachen – Glasmalerei (Fenster) und Textilkunst (Wandteppich)

Fritz Kühn, Berlin (Ost) – Metallgestaltung (Geländer, Leuchter, Kuppelkreuz mit Opeionfassung)

Fritz Schwerdt & Hubertus Förster, Aachen – Goldschmiedekunst (Altarkreuz, Tabernakel)

Josef Hegenbarth, Dresden – Graphiken (Kreuzweg in der Unterkirche)

Margaretha Reichardt, Erfurt – Textilkunst (Wandteppich)

 

Fragen nach ernsthaften Gründen

Will sich die Katholische Kirche mit brachialer Kulturlosigkeit ein neues Image schaffen? Plant gerade die Institution, die Ihre Bedeutung auf der Tradition von Jahrhunderten gründet, bedeutende Kunst und Kultur wegzuräumen, um up to date zu erscheinen?

Bislang wurden von Verantwortlichen nur untaugliche Erklärungsversuche bekannt. Ein „Symposium“ fand unter Ausschluss der Presse statt.

 

Kardinal Woelki hatte sich mit liturgischen Ansätzen vergriffen, die nicht haltbar sind. Zeitweise wurde die Einsturzgefahr der Kathedrale beschworen, wenn nicht bald umgebaut würde. Das Bauaufsichtsamt musste um eine Klärung der ungerechtfertigten Verunsicherung von Besuchern der Kathedrale bitten. Mit welchen Erklärungen wird nun der jetzige Berliner Erzbischof Dr. Koch versuchen, die skurrile Umbauidee seines Vorgängers, Kardinal Woelki, in alter Kölner Verbundenheit zu ihm durchzusetzen.

 

Proteste werden ignoriert, öffentlicher Debatte wird ausgewichen

Seit Anfang des Jahres kündigt Dr. Koch immer wieder die Bekanntgabe seiner „Entscheidung“ an, die er (nach seiner veröffentlichten Angabe) schon im März getroffen hat. Da die Verantwortlichen des Erzbistums nicht auf fachliche Argumente eingehen und auf Gesprächsanfragen nicht reagieren, gab es Offene Briefe von Fachleuten (2014: Prof. Dr. Kerstin Wittmann-Englert und 2016: Prof. Dr. Adrian von Buttlar) und Bittgesuche bei der Deutschen Bischofskonferenz, dem Apostolischen Nuntius und sogar dem Papst. Doch Proteste werden weiterhin ignoriert, einer öffentlichen Diskussion stellt sich die Bistumsleitung nicht. In der Presse wird vom Erzbischof Dr. Koch ungeniert das Gegenteil behauptet (s. „Tag des Herrn, 15.09.2016). Der Umgang mit der Kathedrale wurde zu einer Frage von Kompetenz, Souveränität, Transparenz und Glaubwürdigkeit der Leitung des Erzbistums Berlin, die sich natürlich auf weitere Tätigkeitsfelder übertragen wird.

 

Bedeutungsverlust der Kirche verhindern

Die Gläubigen und die kulturinteressierte Öffentlichkeit könnten das Interesse an dem Thema, den möglichen Begründungen des Erzbischofs und vielleicht auch bald an anderen Äußerungen der Kirchenführung verlieren. Art und Weise des bisherigen Verfahrens bei der Vorbereitung der „Teilzerstörung des Denkmals“ verstärkt den Bedeutungsverlust des Erzbistums Berlin. Ein Bekenntnis zur Einzigartigkeit der Kathedrale durch eine respektvolle Sanierung würde Stärke zeigen.

 

Für die vertiefende Recherchearbeit der Journalisten würden wir gern Kontakte zu den Wissenschaftler und Persönlichkeiten herstellen, die sich für Erhalt und Weiterentwicklung der denkmalgeschützten Innengestaltung einsetzen und ihre Argumente am besten erläutern können.

 

Werner J. Kohl,  Dipl. Ing. Architekt

für die Initiative „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“

 

Aktualisierung

Am 15.10.2017 wird in alle Gemeinden des Erzbistums Berlin eine Kollekte "für die Sanierung der St. Hedwigs-Kathedrale" abgehalten, obwohl keine Sanierung geplant wird und am 01.11.2016 bereits der Entschluss des Erzbischofs Koch verkündet wurde, einen radikalen Umbau ausführen zu wollen.