Adrian von Buttlar

Marlowes _1. Oktober 2019

Ein Skandal eskaliert

Das Erzbistum Berlin hat Anfang September mit dem illegalen Abriss des geschützten Innenraums der Hedwigskathedrale von Hans Schwippert begonnen. Seit fünf Jahren eskaliert der Denkmalskandal um den Abriss dieses Innenraums, eines einzigartigen Denkmals der deutsch-deutschen Geschichte und der Nachkriegsmoderne. Anfang September hat er seinen vorläufigen Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt erreicht.

ADRIAN VON BUTTLAR

Prof. i. R. Dr. Adrian von Buttlar, Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der TU Berlin, ehem. Vorsitzender des Landesdenkmalrates Berlin 1995–2009,
Wiss. Beirat der Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg



Aktualisierung

des Beitrags bei Marlowes

Adrian von Buttlar

Marlowes _9. Oktober 2019

Ein Skandal eskaliert immer weiter !

Im Streit um den illegalen vorzeitigen Eingriff in den denkmalgeschützten Innenraum der
St. Hedwigskathedrale zu Berlin (wir berichteten ausführlich am 1. Oktober) war der zum 
13. September von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirks Mitte erwirkte Baustopp wie befürchtet nicht das letzte Wort: Der zuständige Baustadtrat Ephraim Gothe,
 ein erklärter Befürworter des geplanten Neubaus, hob ihn kurzerhand am 27. September wieder auf. Begründung: bei den Abrissarbeiten handele es sich angeblich lediglich um „bauvorbereitende Maßnahmen“. Abgesehen davon, dass auch „bauvorbereitende Maßnahmen“, zumal, wenn sie irreversibel in die Substanz des Denkmals eingreifen, erst nach Vorliegen eines Bauantrags und einer Baugenehmigung legitim sind, läuft das weiterhin genehmigte Zerstörungswerk de facto darauf hinaus, dem anstehenden Urheberrechtsprozess um die Erhaltung des Gesamtkunstwerks in der Fassung von Hans Schwippert aus den Jahren 1957-1963 den Boden zu entziehen, denn ein zerstörtes Kunstwerk genießt keinen Rechtsschutz mehr. 

Noch steht ja nicht fest, ob der Innenraum tatsächlich abgerissen werden darf: Der Verhandlungstermin über die Klagen der Urheberrechtsinhaber vor dem Berliner Landgericht war seit langem auf den 15. Oktober festgelegt.

 

Einer ausführlichen, auf große Resonanz stoßenden Presseerklärung des Vorsitzenden des Vereins Freunde der Hedwigskathedrale i.G., Prof. Dr. Hans Joachim Meyer (Prof. Meyer war von 1990 bis 2002 Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst und von 1997 bis 2009 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken) vom 4. 10. folgte postwendend - Honi soit qui mal y pense (Ein Schuft, wer Böses dabei denkt) - die kurzfristige Absage des veröffentlichten Termins durch das Gericht und seine Verschiebung in das Frühjahr 2020.

 

Es ist davon auszugehen, dass von der schützenswerten Innenraumfassung bis dahin nichts mehr übrig bleibt, wenn keine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Eingriffe vor der anstehenden juristischen Entscheidung erwirkt wird. Wie hatte doch Bezirksstadtrat Gothe den „Freunden der Hedwigskathedrale“ am 23.1.2019 auf ihre Vorhaltungen geantwortet: „Es geht hier nicht um rechtskonformes Verwaltungshandeln im Allgemeinen“. Und, wenn die Justiz zufällig pausiert, offensichtlich auch nicht im Besonderen.

 



Download
2019-10-09_Marlowes - Ein Skandal eskaliert immer weiter
2019-10-09_Marlowes - Ein Skandal eskali
Adobe Acrobat Dokument 30.0 KB