Neues Deutschland – 30.04.2018 – T. Morgenstern

Abgeduckt im Denkmalsstreit

Berlin entspricht dem Wunsch des Erzbischofs, die Hedwigs-Kathedrale komplett umzubauen


 

"Berlin ist drauf und dran, ohne Not ein einzigartiges Kultur- und Geschichtsdenkmal der Zerstörung preiszugeben. Das Erzbistum Berlin will im Rahmen eines umfassenden Sanierungs- und Neubauprojekts die St. Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz komplett umbauen lassen. Einen entsprechenden Beschluss hatte Erzbischof Heiner Koch am 1. November 2016 verkündet. Im September nun soll die Kirche, die jährlich mehr als 200 000 Besucher zählt, für mehrere Jahre geschlossen werden.

 

Im Kern geht es bei diesem Vorhaben um die Beseitigung der beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Kathedrale unter Leitung von Hans Schwippert (1899-1973), einem der bedeutendsten bundesdeutschen Architekten, verwirklichten Neukonzeption des Kircheninneren, das selbst denkmalgeschützt ist. 

Verschwinden soll damit eine besondere, unter den restriktiven Bedingungen der DDR umgesetzte architektonische und künstlerische Interpretation der liturgischen Erneuerung in der Katholischen Kirche.

 

So symbolisiert die Bodenöffnung im Altarraum zwischen Ober- und Unterkirche die enge Verbindung der versammelten Gemeinde mit ihren verstorbenen Bischöfen und Märtyrern. Über eine Treppe gelangt man auch zum Grab des seliggesprochenen Dompropstes und Nazi-Gegners Bernhard Lichtenberg (1875-1943), der auf dem Weg ins KZ Dachau gestorben war. Für viele Gläubige in der DDR war die Hedwigs-Kathedrale nicht zuletzt auch das Symbol für die Einheit der Katholiken des Bistums Berlin unter den Bedingungen der Teilung der Stadt.

 

Auf verbreitetes Unverständnis stieß dabei, dass die dem Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) unterstehende Oberste Denkmalbehörde den Umbauplänen zugestimmt hat, die das Landesdenkmalamt zuvor ausdrücklich abgelehnt hatte. Auch in der Linkspartei rumort es seither. Dass zudem Bund und Land insgesamt ein Drittel der auf 60 Millionen Euro veranschlagten Kosten für die Umgestaltung von Kirche, die den Abriss und Neubau des benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Hauses gleich einschließt, übernehmen, empfinden viele Kritiker als Affront. Allein acht Millionen Euro sollen Berlins Steuerzahler aufbringen - eine Last, die wachsen könnte, da bislang keine Analyse des Baugrunds erfolgt ist.

 

Den bischöflichen Antrag auf denkmalrechtliche Genehmigung für die Um- und Neugestaltung der Kathedrale und des Bernhard-Lichtenberg-Hauses hatte zunächst die Untere Denkmalschutzbehörde beim Bezirksamt Mitte zu prüfen. Es kam im November 2017 zu dem Schluss, man könne dem Vorhaben teilweise entsprechen. Dem hatte das Landesdenkmalamt in einer Stellungnahme widersprochen. Das Amt wies die Einschätzung zurück, weil »gewichtige Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen und ein überwiegendes öffentliches Interesse die hier beantragten Maßnahmen nicht verlangt, auch nicht unter Berücksichtigung gottesdienstlicher Belange«. 

 

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2018-04-30-nd-Abgeduckt im Denkmalstreit
Der Titel des Artikel von Tomas Morgenstern nimmt Bezug auf die Haltung des für die Dissensentscheidung verantwortlichen Kultursenators Dr. Lederer.
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Da somit das für die Erteilung der denkmalrechtlichen Genehmigung erforderliche Einvernehmen nicht gegeben war, musste laut Landesdenkmalschutzgesetz die Oberste Denkmalschutzbehörde den Dissens entscheiden. Sie entschied gegen das Urteil der Fachbehörde. Dazu heißt es in einer Mitteilung der Senatsverwaltung vom 16. Februar 2018: »Nach Inaugenscheinnahme des Denkmals und intensiver Prüfung der Vorhaben unter Abwägung der denkmalrechtlichen Belange und der liturgischen Erfordernisse kam die Oberste Denkmalschutzbehörde zu dem Ergebnis, dass die denkmalrechtliche Genehmigung für die Vorhaben weitgehend zu erteilen ist.« Die geplanten Umbauten seien »weitgehend zulässig«, das denkmalrechtliche Erhaltungsinteresse müsse daher gegenüber dem kirchlichen Selbstorganisationsrecht zurücktreten. Und der Kultursenator erklärte, man habe das Für und Wider eines Umbaus diskutiert. »Es ist aber Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen, Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften, die für die Nutzbarkeit ihrer Sakralräume erforderlichen kultisch-liturgischen Belange selbst festzustellen. Diese Feststellungen der obersten Kirchenbehörden sind durch den Staat zu respektieren.« Die getroffene Entscheidung sei aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend. 


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Unter Berücksichtigung der offiziellen Aussagen des Erzbistums Berlin (Pressesprecher Förner): resümiert Tomas Morgenstern: 

 

Das vom Erzbistum gewählte Verfahren lässt freilich den Schluss zu, dass es dabei von vorn herein darum ging, die fällige Sanierung mit einer umfassenden Umgestaltung der Kirche zu verbinden. Das ist offenbar ganz im Sinne des Erzbischofs, geht es dabei doch um eine Aufwertung seiner Repräsentanz, um eine »Hauptstadtkirche«. 

Es geht um eine "Hauptstadtkirche"