Das Tebartz-Syndrom ?

Erzbischof Dr. Kochs Probleme mit der Wahrheit

Berlins Erzbischof Dr. Koch hat in einem Interview den Versuch unternommen, seinen Umgang mit der St. Hedwigs-Kathedrale und den Gläubigen zu rechtfertigen. Was er über „Tempel“ und „Herde“ redete, wurde nun im „Tag des Herrn“ veröffentlicht. Als Karnevalsscherze können die Worte des rheinländischen Erzbischofs in der Kirchenzeitung im September noch nicht durchgehen. Deshalb sollten seine Aussagen zur St. Hedwigs-Kathedrale auf den Wahrheitsgehalt hin geprüft werden. 

 

Erzbischof Dr. Koch zur Zukunft der St. Hedwigs-Kathedrale (Interview, veröffentlicht am 15.09.2016): 

„Ich habe die Dramatik gesehen und daher versucht, den Prozess bis zur Entscheidung transparent, mit viel Beteiligung und fundiert zu machen. Ich habe die Problematik immer thematisiert. Jedem, der mir dazu schreibt, antworte ich: Ich hoffe, dass der lebendige Tempel Gottes zusammenbleibt.“

 

Diese Worte offenbaren eingeengte Wahrnehmung und verzerrte Selbsteinschätzung.

Von Transparenz zu sprechen, wenn es parlamentarischer Anfragen bedarf, um Vertuschung des Erzbistums aufzudecken, zeugt schon von Unverfrorenheit (1). Ähnliches gilt, wenn ein Entscheidungsprozess „fundiert genannt wird, der auf Bedenken von 52 Professoren aus 5 Ländern überhaupt nicht eingeht (2). „viel Beteiligung“: aber vornehmlich von Untergebenen und Abhängigen. Bitten um einen Gesprächsprozess über Alternativen zu einem Umbau wurden nicht erhört (3)

Die Behauptung des Erzbischofs schließlich, dass er „jedem, der (…) dazu schreibt, antworte“erweist sich unwiderlegbar als falsch. Hier wird auf die unbeantworteten Schreiben und Anfragen hingewiesen, auf deren Beantwortung seit Monaten gewartet wird (s. unten unter 4) (s. auch hier).

 

Die Aussagen im Interview in der Kirchenzeitung vom 15.09.2016 entsprechen also nicht der Wahrheit.

Eine Lebensweisheit besagt: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.“ Wiederholungen verkleinern das Problem nicht. Bei Politiker mögen Unwahrheiten als taktische Tricks durchgehen.

Der Leiter einer Diözese äußert sich jedoch nicht nur zu Sachfragen, sondern auch auf geistlichem Gebiet. Traditionell vertrauen Christen dem, was geweihte Personen sagen. Offensichtliche Falschaussagen zerstören nun dieses Vertrauen und beschädigen das Amt des geistlichen Oberhaupts.

 

In vielen unbeantwortet gebliebenen Briefen wurde dem Erzbischof dargelegt, dass es beim Umgang mit der Kathedrale längst nicht mehr nur um ein Haus aus Stein, sondern vielmehr um die derzeitige Verfassung der Katholischen Kirche im Erzbistum Berlin geht.

Da der Erzbischof „die Dramatik gesehen“ habe, wird er wissen, dass die „Bedeutung eines solchen Gebäudes“  längst zum Synonym für Zukunftsfragen geworden ist. Aus dem Stein des Anstoßes wurde ein Prüfstein für die „lebendige Kirche“.

Der Weggang Kardinal Woelkis aus Berlin weckte die Erwartung, dass nun Ehrlichkeit und Seelsorge wichtig werden würden. Christen warteten auf Reaktionen auf die inspirierenden Hinweise von Papst Franziskus. 

Gibt es nach einem Jahr trotz dieses verstörenden Interviews noch Hoffnung?

Oder setzt sich hier im Stile von Tebartz und Woelki nur das Streben nach Repräsentation und Positionsbehauptung fort, wenn auch mit weniger Glamour vom umgänglichen Rheinländer?

 

Letztlich kommt dem immer weniger Bedeutung zu. Wie viele Katholiken fühlen ihre Sorgen und Fragen noch von der Kirchenleitung wahrgenommen? Inwieweit regt das Handeln der Verantwortlichen des Erzbistums Berlin (z. B. die beabsichtigte Millionenverschwendung) noch zur Nachfolge Jesu an? 

 

Erzbischof Dr. Koch zu den Sorgen der Gläubigen (Interview, veröffentlicht am 15.09.2016):

„Aller Einsatz Einzelner für die Kathedrale, wenn er mit der Drohung oder Wirklichkeit es Verlassens des Tempels verbunden ist, ist nicht glaubwürdig. Da ist die Rangfolge der Bedeutung eines solchen Gebäudes gegenüber der Bedeutung der lebendigen Kirche durcheinander geraten. Ich werde auch die, die sich mit ihrer Meinung nicht durchsetzen, bitten, sich auch weiterhin an den Überlegungen zu beteiligen.“

Wenn Fragen und Sorgen von Gläubigen von einem Bischof als „Drohung“ und „nicht glaubwürdig“ diffamiert werden, ist Hilfe von ihm nicht zu erwarten.

Da geht einer eigensinnig seinen Weg. „Die Herde“ mag hinterdrein gehen.

Christen müssen stattdessen ihrem Gewissen folgen.

 

Nachweisbare öffentliche Falschaussagen passen nicht zum Amt eines Bischofs. Das ist seit dem Fall des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst bekannt.

 

Unabhängig von den Problemen mit der Wahrheit, zeigt sich Grundsätzliches: Nominell hat Berlin seit einem Jahr einen Diözesanbischof, geistig und kulturell dauert die Vakanz weiter an. 


Belege für die Bewertung der Aussagen des Erzbischofs Dr. Koch

– Die farbig angelegten Texte können als Links angeklickt werden und führen direkt zu den Quellen –

3. "viel Beteiligung" ?

Es wurden nur kirchliche Gremien beteiligt: Priester, die dem Erzbischof zum Gehorsam verpflichtet sind, und Laien, die zum großen Teil als Angestellte oder Funktionäre in Institutionen des Erzbistums arbeiten und abhängig sind

Umbaukritiker waren nicht gefragt

Am 28.09.2015 wurde um die Aufnahme eines Gesprächsprozesses gebeten, bei dem mit Gläubigen, Fachleuten und Journalisten auch über Alternativen zum Umbau diskutieren.  Darauf ging der Erzbischof nicht ein.


Weitere fehlenden Antworten ?

Neben den "Freunden der St.Hedwigs-Kathedrale" warten noch andere Anfragende auf Antwort.

Die Liste wird noch länger werden

Weitere vergeblich Wartende werden ebenfalls die Berücksichtigung ihrer Anliegen erbitten.



Die Ausführungen zu dem Interview Dr. Kochs sind ein persönlicher Kommentar von Werner J. Kohl.


Hinweis auf vollständigen Wortlaut des Interviews mit Erzbischof Dr. Koch